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Christine Ordnung über Jesper Juul

Im Juli 2019 ist Jesper Juul gestorben. Christine Ordnung schrieb im September über ihre Erinnerungen an ihn.

Jesper Juul ist vor knapp zwei Monaten gestorben. Es tut mir gut, mit verschiedenen Menschen immer wieder darüber zu sprechen, welche Bedeutung er in ihrem und für ihr Leben hatte.
Nach und nach komme ich mit der Endgültigkeit des Verlustes in Berührung – auf unterschiedliche Weise. Zuerst waren viele persönliche Erinnerungen da und ich spürte die große Dankbarkeit darüber, was ich von ihm lernen konnte und seit 10 Jahren am ddif weitergeben kann.

In den letzten Tagen taucht mir die Unwiederbringlichkeit und Einzigartigkeit seiner klaren und direkten Art auf. Jesper Juul konnte sehr deutliche Aussagen formulieren, an denen Eltern und Fachleute nicht selten zu knabbern hatten. Jesper war dabei weder moralisch noch transportierten seine Worte auch nur irgendeinen Hauch eines Vorwurfs oder der Anklage. Wenn Zuhörer ihm die Rückmeldung gaben, er würde ihnen ein schlechtes Gewissen machen, lernten sie sehr schnell, dass das schlechte Gewissen von ihnen selbst kommt und nicht Jesper es ihnen macht. Für das eigene schlechte Gewissen kann jeder Verantwortung übernehmen und es in sinnvolles Handeln verwandeln.
Ich habe nicht erlebt, dass Jesper Juul Eltern oder Fachleute verurteilte, aber er sprach seine Sicht in unmissverständlichen Worten aus. Den manchmal vehementen Reaktionen hielt er stand.

Ein Beispiel kommt mir oft in den Sinn. Es ging ums Zähneputzen. Ein Thema, bei dem Eltern oft an ihre Grenzen kommen und insistieren, dass sie bei der Verweigerung desselben bei ihren Kindern unbedingt durchgreifen müssten. Abend für Abend entwickeln sich hässliche Szenen im Badezimmer. Das wolle ja keiner, aber da gäbe es nun mal keine andere Möglichkeit. Die Zähne seien wichtig und Eltern hätten schließlich die Verantwortung für deren guten Erhalt.
Jesper stellte in diesem Kontext die Aussage mit Fragezeichen in den Raum: „Löcher in den Zähnen oder Löcher in den Seelen?“
In verschiedenen Fallbeispielen hat Jesper aufgezeigt, wie die allabendlichen destruktiven Prozeduren aufgelöst werden können, wenn die Erwachsenen aus dem Machtkampf um das Zähneputzen aussteigen. Anstatt die Zähne in den Mittelpunkt zu stellen, können sie ihr Kind anschauen und hören, was gerade in der Situation passiert. Dazu ein weiteres Zitat von Juul: „Dann fühlen sich die Kinder nicht mehr nur wie Gebisse.“

Titelbild: [TSUNG-LIN WU]/stock.adobe.com

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