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Belohnen ist das neue Bestrafen

Es gibt eine weite Bandbreite in der Welt der Belohnungen. Das geht von „Wenn ihr jetzt gut mitmacht, können wir am Ende des Tages etwas spielen.“ über „Für alle die heute ordentlich helfen, gibt es am Ende etwas aus der Überraschungskiste.“ und „Heute bekommen 5 Kinder ein Sternchen eingeklebt.“  oder „Die Klasse hat jetzt 15 Murmeln für gute Tage gesammelt, wir können einen Ausflug machen.“ bis zu „Ich muss mir das nochmal überlegen, ob wir Eis essen gehen können. Das klappt nur, wenn ich mich nicht immer so über euch ärgern muss.“

Belohnungen bedienen das gleiche Denkmuster wie Bestrafungen. Andere Begriffe ändern nicht das, was sie bewirken sollen, nämlich Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene dazu zu bringen, das zu tun, was ich will.

Dieses Bestreben wird nach wie vor selten hinterfragt, trotz des Wissens, dass Kinder kooperieren und sich anpassen wollen, außer sie haben wichtige Gründe es nicht zu tun.

Anstatt sich wirklich ernsthaft für diese Gründe zu interessieren, investieren die Erwachsenen viel Energie in Methoden, die scheinbar eine Abkürzung auf dem Weg zum „erwünschten Verhalten“ anbieten.

Die meisten Kinder geben tatsächlich ihre wichtigen Gründe und damit auch immer ein Stück von sich selbst auf. Tatsächlich beruht ja der Gedanke des Belohnens genau darauf, dass „der Anreiz“ von außen die anderen Beweggründe aussticht. Einigen Kindern ist es nicht möglich sich in dieser Form anzupassen, sie wehren bzw. schützen sich stärker und erfahren dann Ausgrenzung.

Als ich einmal einen Workshop mit Lehrerinnen und Lehrern hatte, gab mir ein Lehrer am Ende des Tages folgende Rückmeldung. „Ich bin irritiert, ich kann mir den Schulalltag ohne Strafen und Belohnungen überhaupt nicht vorstellen, ich kann es nicht mal denken. Und genau das gibt mir zu denken, wie sehr ich in der Gehorsamskultur verhaftet bin. Das war mir nicht bewusst.“

Ich danke für diese offene und ehrliche Aussage. Dieser Lehrer ist meiner Erfahrung nach, keine Ausnahme. In vielen Schulen gibt es Belohnungssysteme. Belohnungen, werden dort vielleicht als Anreize für erwünschtes Verhalten verstanden, als Motivation, als Leitplanke oder sie werden einfach aus Gewohnheit genutzt.

Was geschieht aber, wenn ich mich als Erwachsene in die Position begebe, Belohnungen oder Bonuspunkte zu verteilen, mit Belohnungen zu locken?

Ich trete aus der Beziehung. Ich schwäche, die Möglichkeit als Mensch für das was ich will und nicht will ernstgenommen zu werden. Ich nehme weder mich noch mein Gegenüber als Mensch ernst. Ich verpasse die Chance, als wichtige erwachsene Person, wirklich hilfreich für Kinder zu sein, die Schwierigkeiten haben. Ich erhebe mich zur Richterin über „erwünschtes“ und „unerwünschtes“ Verhalten. Ich verstecke mich hinter dem Mechanismus und mache mich zugleich auch abhängig davon. Ich trage dazu bei, dass Kinder ihre eigenen Motive und Motivationen verstecken, was nicht selten dazu führt, dass sie sich an anderer Stelle bahnbrechen.

Wie wäre es, wenn Schüler*innen, Eltern, Kolleg*innen oder die Schulleitung mich innerhalb meines Arbeitstages belohnen? Würde ich das wollen und mich ernstgenommen fühlen? Könnte ich meine innere Anspannung oder meine Ungeduld für eine Belohnung loslassen? Was würde ich dadurch lernen?
Und was erlebe ich, wenn die erwartete Belohnung nicht kommt. Wenn ich mitgeteilt bekomme, dass ich nicht genügt habe? Wie fühle ich mich dann?

Darüber nachzudenken, aus welchem persönlichen Grund ich Belohnungen nutze und wofür ich sie brauche, ist der Anfang einer spannenden Auseinandersetzung.

Ich empfehle zu diesem Thema die Kolumne in der Zeit zum Thema Belohnung von Hella Dietz sehr: Belohnen ist das neue Bestrafen

Titelbild: Rebecca Hinzmann

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